Über Istaravshan nach Chudschand

Es geht also weiter in den Norden des Landes. Und damit wird das Land noch ländlicher und unbewohnter und wilder und primitiver. Die Fahrt war lang. Aber wir hatten auch viel Glück mit dem Wetter. Nachdem wir den Besuch des Altertum-Museums in Duschanbe kurzerhand gestrichen haben (wir warteten 30 min vor verschlossenen Toren) ging es los. Recht schnell waren wir raus aus der Stadt und quasi schon mitten in den Bergen. Einen erster Fotostopp machten wir am Iskanderkul See, einem Bergsee auf 2200 Meter Höhe. Er erinnerte mich stark an den Lake Tahoe oder den Lake Crescent in den Staaten. Von riesigen Bergen umgebene, eiskalte, türkisfarbene Bergseen. Wunderschön! Ein flacher Kiesstrand, eisbedeckte Gipfel im Hintergrund und eine Ruhe, eine Stille, einfach Frieden – perfekt! Leider konnten wir das nicht sehr lange genießen, denn wir hatten noch einen weiten Weg vor uns. Der nächste Weg begann gleich 5 min später, denn wir starteten eine kleine Wanderung zum Fan-Wasserfall. Fan – das ist das Gebirge, in dem wir gerade sind, und das wir überqueren müssen. Ein kurzer, aber heftiger Fußmarsch über Geröll, Kiesel, kleine und große Steine brachte uns zum Wasserfall. Und das Wasser schoss da mit immenser Wucht die nur 37 Meter hinunter. Aber wir waren so dicht dran, da spürt man die Kraft der Natur noch viel intensiver. Eigentlich war die Aussichtsplattform nur ein angerostetes Gitter, 3 Meter über dem Fall. Eine von unseren Mitreisenden rutschte tatsächlich durch. Mit dem Fuß nur, aber schmerzlos war das trotzdem nicht. Und ich muss sagen, ich habe ja Vergleichsmöglichkeiten, es war angsteinflößender, als der Spaziergang über die Glasbrücke! Wenigstens wurden ich mit einem Regenbogen belohnt! Ein anderer Stopp war an einem breiten Tal, auf dessen Grund ein kleines schmales Bächlein floss. Plötzlich schwebten über, neben und unter uns riesige Vögel und ließen sich vom warmen Aufwind tragen. Die Adler waren da! 3, 4, 5, 6 Stück mit 3-4 Meter breiten Schwingen! Was für ein majestätischer Anblick! Seit dem Condor – Tal in Peru habe ich das nicht mehr gesehen. Dafür lassen wir doch gerne so ein altes Museum sausen! Das ist schließlich die echte Natur, live und in Farbe! Der Weg führte übrigens auch durch 22 Tunnel. Und auch das gehört halt dazu. Viele waren nur wenige Meter lang, und man konnte den Ausgang schon von weitem sehen. Es gab aber auch einige, und einer war 6 km lang, die hatten keine Beleuchtung und keine Ventilation. Die Straße war sowieso die ganze Zeit oftmals von Löchern durchsiebt, uneben und nur mit großer Vorsicht befahrbar. Das war dann wirklich beängstigend! Serpentinen hinauf und hinunter. Straßenbegrenzung? Ja. Ich sah einmal eine Leitplanke. 20 Meter lang, verbeult, verrostet und völlig verdreht halb über dem Abgrund hängen. Auf der einen Seite ging es steil nach oben, wobei kleinere und größere Felsbrocken am Straßenrand lagen, als wären sie gerade erst dort angekommen. Auf der anderen Seite ging es mehrere hundert Meter in die Tiefe. Das ist echt scary! Kurz nach Mittag fing es an mit regnen und waren wir in Istaravshan. Seit ich in einem mittelalterlichen Roman vor Jahren über diese Stadt gelesen habe, wollte ich sie sehen. Na die meisten Häuser sind natürlich nicht mehr mittelalterlich, die Straßen gefühlt schon. Und die Stadt ist mittlerweile 2500 Jahre alt! Wir besuchten die nicht ganz so spektakuläre Moschee Kok Gumbaz und die gleichnamige Madrasa aus dem 15. Jahrhundert. Die war schon eher interessant, denn sie wurde bisher nicht restauriert. Das Alter sieht man ihr definitiv an. Leider. Sie ist heute halb verfallen. Gegen 19:00 Uhr abends kamen wir endlich in Chrudschand an. Die Verkehr und der Regen nahmen immer mehr zu, je näher wir dem Ziel kamen. Und die Fahrer wurden immer waghalsiger. Verkehrsregeln kennt man hier nicht, überholt wird stets und ständig. Ich war auf der ganzen Fahrt froh, daß ich mein Buch dabei hatte und meine Nase darin versenken konnte, wann immer es zu brenzlig wurde, und ich das gar nicht mehr mit ansehen konnte.

Iskanderkul See, Tadschikistan
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