Ich gebe zu, ich bin gerade ein wenig erschöpft. Die vielen Eindrücke und Erlebnisse der letzten Tagen und Wochen wollen auch verarbeitet werden. Meine Aufnahmefähigkeit und meine Geduld ist heute im Laufe des Tages recht schnell gesunken. Ich bin noch vor 6 aufgestanden, um möglichst den ganzen Touristen zuvor zukommen, die ebenfalls zur Terracotta Armee wollten. Allerdings beträgt die Anfahrt selbst von XiAn aus fast 2 Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln. (Das ist halt die günstigste Variante. Hätte ich eine Tour gebucht, hätte ich als Alleinreisender mindestens 200 € bezahlt. So zahlte ich nur 20 €.) Leider gehen auch sämtliche Touren am Vormittag hin, sodass es doch wieder extrem voll war. Als ich fertig war und mich auf den Heimweg machte, waren die Zugänge dann aber wieder leer. Und die Chinesen werden echt rabiat; drängeln und scheren sich nicht, um den Nachbarn. Jeder ist auf den eigenen Vorteil bedacht. Nicht selten stand mir wer auf dem Fuß oder ich bekam einen Ellenbogen in die Seiten. Das fängt selbst schon in der Metro an. So bald sich die Türen öffnen, stürzen sie auf den nächsten leeren Platz, sofern vorhanden. Keine Rücksicht auf irgendwen. Wirklich furchtbar. Und ich kann mich ja noch nicht mal verständlich machen. Außerdem bin ich Gast in diesem Land. Da Lob ich mir dann die Japaner, die stets die Harmonie des Nächsten achten. Jedenfalls gingen mir die tausend Menschen heute ziemlich auf die Nerven. Und natürlich hat die Museumsreservierung am Nachmittag auch nicht geklappt. Also habe ich am Nachmittag nichts weiter unternommen und bin zurück zum Hotel. Heute brauchte ich mal den Nachmittagsschlaf. Etwas Zeit für mich, keinen Trouble und meine Ruhe. Heute Abend noch etwas gutes zum Essen, dann wird’s morgen wieder gehen. (Ich fand hier ein echtes italienisches Restaurant, das neben richtiger Pizza auch richtige Spaghetti und einen wirklich frischen, leckeren Salat mit echtem Balsamiko macht.)
Nun aber zur Terracotta Armee. Sicher ist allgemein bekannt, daß dies 1974 ein Zufallsfund war. Inzwischen schätzt man den Fund auf 8000 Ton-Krieger und 650 Pferde. Allerdings sind erst um die 2000 Krieger geborgen. In der großen Haupthalle stehen um die 1400 mehr oder weniger in Reih und Glied. Bei einigen kann man sogar die Farben noch erkennen, obwohl diese langsam verblasst. Eigentlich ist es ja ein Grab. Besser gesagt eine Grabanlage. Der erste Kaiser von Qin, Qin Shihuang (259–210 v. Chr.) ließ 36 Jahre daran bauen und trotzdem wurde sie nicht fertiggestellt, sondern nach seinem Tod eilig zugeschüttet. Aber er muss ein Visionär gewesen sein. Neben der Tonarmee baute er auch die große Mauer (; zumindest große Teile), schuf das Kaiserreich und vereinheitlichte Maße, Münzen und Gewichte. Und er war der Henry Ford der chinesischen Geschichte, denn die Tonarmee wurde in einer Art Fließbandarbeit mit 8 verschiedenen Krieger-Typen hergestellt. Und trotzdem sehen sie alle höchst individuell aus. Schon ziemlich beeindruckend. Die ganze Museumsanlage aber ist zwar riesengroß, doch irgendwie wirkt es in Anbetracht der Anzahl der Objekte etwas klein. Vielleicht weil man aufgrund der Weite die Dimensionen gar nicht erfassen kann. In Halle 2 und 3 sind nur wenige Statuen zu sehen. Es sind eher große Baugruben mit vielen Scherben. Als ob man während der Arbeiten plötzlich alles hat stehen und liegen lassen. Das dazugehörige Museum ist aber sehr modern und enthält einige wirklich schöne Stücke. Leider sind auch hier viele Erklärungen nur in Chinesisch. Und man setzt voll auf Audioguides und aufdringliche Tourguides, die vor dem Haupteingang lauern; Prospekte in Papierform gibt’s leider nicht. Umweltfreundlich ja – Touristenfreundlich nein. Und die Futterstände! Ich schwöre, das Areal für Futter und Souvenirs sind mindestens ebenso groß, wie die gesamte Ausstellungsanlage. Hunderte von Ständen, alle bunt und laut und sie riechen alle. Ich folgte einmal meiner Nase einer Spur von Kaffee nach. Guten Kaffee zu bekommen, ist echt nicht einfach hier, wenn man die teuren amerikanischen Ketten meiden will. Leider entpuppte sich der Kaffee dann als gruseliger Instant-Kaffee. Alles in allem: eine Erfahrung. Aufgrund der Bedeutung (UNESCO Welterbe) aber eine, die man gemacht haben sollte.
